Instanz:
Obergericht
Abteilung:
II. Kammer
Rechtsgebiet:
Strafprozessrecht
Entscheiddatum:
20.03.1998
Fallnummer:
21 97 199
LGVE:
1998 I Nr. 48
Leitsatz:
§§ 34 Abs. 2 und 317 StPO; Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
Rechtskraft:
Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Entscheid:
Aus den Erwägungen:
Der Anspruch auf Offizialverteidigung wird in erster Linie durch die Vorschriften des kantonalen Strafprozessrechts geregelt. Unabhängig davon greifen die direkt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Verfassung hergeleiteten Minimalgarantien Platz. Als besondere Garantie für den Angeschuldigten im Strafprozess gewährleistet Art. 6 Ziff. 3 lit. c
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Durch die Teilrevision vom 26. Juni 1989 wurde der § 34 Abs. 2 in die Luzerner Strafprozessordnung eingefügt, der wie folgt lautet: Ist der Angeschuldigte aus finanziellen Gründen ausserstande, einen Verteidiger beizuziehen, ist ihm auf Verlangen für die Dauer der Untersuchungshaft ein amtlicher Verteidiger beizugeben (§ 34 Abs. 2 Ziff. 1 StPO). Für das gesamte Verfahren ist einem solchen Angeschuldigten auf Verlangen ein amtlicher Verteidiger beizugeben, wenn bei einer nach Sachverhalt und Rechtsanwendung nicht einfachen Sache mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder mit einer Massnahme nach Art. 42 bis
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Die Beschwerdeführerin macht des weitern geltend, die Frage der unentgeltlichen Rechtspflege könne nicht nach ihrer Rollenverteilung in den einzelnen Strafverfahren separat beurteilt werden. Die Vorinstanz habe vorliegend nur isoliert die Stellung der Beschwerdeführerin als Angeschuldigte betrachtet und dabei aus BGE 120 I a 45 zitiert. Richtigerweise müsse jedoch bei der Prüfung der Frage der unentgeltlichen Rechtspflege eine Gesamtbetrachtung erfolgen, wobei die Rolle der Beschwerdeführerin als Opfer und Geschädigte klar im Vordergrund stehe. Mithin seien die Kriterien von BGE 123 I 147 auch vorliegend massgebend.
Mit diesen Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht zu hören. Zum einen muss gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts bei der Prüfung der Notwendigkeit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung eines Geschädigten die Schwere und Komplexität des Falles so berücksichtigt werden, wie dies auch bei der unentgeltlichen Bestellung eines amtlichen Verteidigers zu prüfen ist (BGE 123 I 145, 147; BGE 121 I 43, 44). Zum andern würde die Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin dazu führen, dass sie in der gegen sie geführten Untersuchung betreffend Tätlichkeiten bzw. Rassendiskriminierung einen Anspruch auf Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege geltend machen könnte, obwohl dies für die Angeschuldigten gemäss geltender Strafprozessordnung nicht vorgesehen ist.